Hamburg nach Olympia–Aus

Mehr direkte Demokratie wagen?

Der Traum platzte binnen weniger Minuten. Das gesamte Hamburger Politestablishment war düpiert worden und Ex–Sportsenator Neumann sowie Bürgermeister Scholz nahmen schmallippig das Ergebnis des Olympiareferendums zur Kenntnis. Mehrheitlich haben sich die Hamburger gegen Olympische Spiele an Elbe und Alster ausgesprochen und so dem rot–grünen Senat seine erste große Niederlage eingebracht.

Gut aufgestellt, mit reichlich Personal und Finanzen, war das Bündnis für Olympia in Hamburg. Fast alle Parteien, die Hamburger Wirtschaft sowie Sportvereine warben auf breiter Front für die Spiele und die sogenannte Jahrhundertchance.

Dennoch, am Ende stimmten 336.518 Bürger oder 51,6 Prozent gegen die Olympia–Bewerbung. Damit erlosch die Flamme für Olympia und nach dem ersten Wundenlecken entflammte erneut die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der direkten Demokratie.
Das Ergebnis sei ein eindeutiges Zeichen, wie sehr sich Politik und Bürger voneinander entfernt hätten, heißt es von der einen Seite. Von der anderen Seite ertönt, Volksentscheide machten Hamburg unregierbar.

Wahrheit ist, dass die Hamburger dank direktdemokratischer Elemente in der Hamburger Verfassung die Einführung der Schulreform und Olympische Spiele verhindert haben. Die Frage stellt sich: Ist die Stadt wirklich unregierbar geworden, wenn die Bürger innerhalb weniger Jahre zweimal „Nein“ sagen?

In keinem Fall sollte man das Bild so schwarz malen. Eine Stadt wie Hamburg, die zu recht stolz auf ihre Bürger ist, muss es akzeptieren, wenn einmal „Nein“ gesagt wird. Natürlich muss immer wieder abgewogen werden, wie weit Bürgerbeteiligung gehen soll. Fest steht: Egal, ob bei der Flüchtlingsunterbringung oder bei der Entscheidung rund um Olympia, die Bürger fordern Beteiligung und ihr direktes Mitspracherecht ein.
Man erlebt selbstbewusste Bürger, die in der reinen repräsentativen Demokratie keine Zukunft mehr sehen und sich vorbehalten, direkt mitzureden und mitzuentscheiden.

Forderungen von Handelskammer–Präses Fritz Horst Melsheimer die Regeln der Hamburger Volksgesetzgebung „gründlich zu überarbeiten und die repräsentative Demokratie wieder zu stärken“, wirken mehr wie ein Hilferuf nach den guten alten Zeiten, in denen der einzelne Bürger nur alle vier Jahre zur Wahl gehen konnte.

SPD–Fraktionschef Andreas Dressel erteilte den Forderungen Melsheimers unlängst eine Absage. „Wer nach dem Olympia–Aus beleidigt die Volksgesetzgebung beschneiden will, ist auf dem Holzweg. Die Bürger haben nur ihre Rechte wahrgenommen.“

Auch wenn Entscheidungen langsamer verlaufen könnten, ist das Argument der Zeit die Frage nach dem „was uns unsere Demokratie wert ist“. Demokratische Prozesse brauchen Zeit, insbesondere Volksentscheide und Volksbegehren. Diese Zeit sollten wir uns nehmen, um über weitreichende politische Vorhaben zu entscheiden. Dabei sollte der Einsatz der direktdemokratischen Mittel immer verhältnismäßig genutzt werden. Es ist der Politik der Stadt von Zeit zu Zeit zuzumuten, dass die Bürger ihr Recht auf direkte Mitbestimmung wahrnehmen, auch wenn das Ergebnis nicht immer wie gewünscht ist.