Fokus auf Flüchtlinge in Hamburg

Grundsätze und Herausforderungen

Die Krisenherde der Welt brodeln weiter und bringen Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Sie machen sich auf den Weg, Schutz und Zuflucht in Europa zu suchen. Dabei müssen sie den beschwerlichen Weg über das Mittelmeer oder über die Balkanroute nehmen, um Europa zu erreichen. Mittlerweile erreichen so viele Menschen auf der Suche nach Asyl Deutschland, dass die Kanzlerin von einer „nationalen Herausforderung“ spricht. Doch wie sollen wir dieser Aufgabe begegnen und welche Grundsätze sollen uns leiten?

Neben der Genfer Flüchtlingskonvention und unseren nationalen Asylbestimmungen, hilft ein Blick in unser Grundgesetz: Laut Artikel 16a genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Und das uneingeschränkt und ohne geregelte Obergrenze, mit dem Anspruch auf individuelle Prüfung eines jeden Antrags. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat und die Gesellschaft zur Humanität und Achtung der Würde eines jeden einzelnen.

„Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen“, bestätigte auch Angela Merkel im Rahmen ihrer Sommerpressekonferenz.

Die Mütter und Väter des Grundgesetztes legten damit den Grundstein und die Verpflichtung für die Bundesrepublik, Menschen, die in ihrer Heimat um Leib und Leben bangen müssen, bei uns eine sichere Zuflucht zu finden. Diese Grundsätze leiten Deutschland und auch unser Hamburg bei der Bewältigung der aktuellen humanitären Herausforderung zu helfen. Sie werden täglich von vielen ehrenamtlichen Helfern gelebt.

Dennoch, die Herausforderung mit 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr umzugehen und sie aufzunehmen, beschäftigt das ganze Land bis in unsere Stadtteile. 30.000 Flüchtlinge leben bereits in Hamburg, weitere 10.000 und mehr können es in diesem Jahr noch werden.

An erster Stelle muss die Beschleunigung der Verfahren stehen, um überfüllten Erstaufnahmeeinrichtungen entgegenzuwirken. Es braucht mehr Erstaufnahmeeinrichtungen und eine engere Kooperation des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, den Arbeitsagenturen und Hilfsorganisationen. Entscheidungen müssen schnell fallen und frühzeitig geprüft werden, wer überhaupt eine Bleibeperspektive im Rahmen des Asylrechts hat.

Abgelehnte Asylbewerber, deren Verfahren abgeschlossen sind, müssen bei nicht freiwilliger Ausreise in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Auch dies gehört zu einem konsequenten Handeln eines Rechtsstaates. Im Falle der anerkannten Flüchtlinge muss die Stadt für eine gerechte und gleichmäßige Verteilung auf alle Bezirke sorgen.

Weiter stellt sich die Frage, wie mit Armuts- und Arbeitsmigranten umgegangen wird, die einen Asylantrag stellen? Deren Anträge binden Kapazitäten. Hier könnte eine Lösung sein, die Länder des westlichen Balkans zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Dazu bräuchte es aber auch die Stimmen des rot–grünen Senates im Bundesrat.

In unserer Stadt muss die Politik erklären, wie mit diesen Herausforderungen konkret umgegangen werden kann und sich beim Bund für die notwendigen finanziellen Mittel stark machen. Denn beispielsweise in der Ausländerbehörde fehlt Personal, um der Antragsflut Herr zu werden. Deshalb wird man zusätzliche Mittel bereitstellen müssen, um die Handlungsfähigkeit dort und an den Verwaltungsgerichten zu stärken. Zusätzlich sollte sich der Senat gemeinsam mit allen Ehrenamtlichen dafür einsetzen, dem Ehrenamt einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen und die Arbeit besser mit der der hauptamtlichen Helfer zu koordinieren. Hier ist mehr Flexibilität gefragt.

Täglich kommen ca. 300 neue Flüchtlinge nach Hamburg und müssen versorgt und untergebracht werden. Wie lange Zelte als Zwischenlösung noch dienen können, hängt davon ab, wie lange sich der Winter in diesem Jahr noch Zeit lässt.

Bei der Unterbringung der Flüchtlinge dürfen sich Anwohner und Bürger vor Ort nicht ausgeschlossen fühlen. Es gilt, sie so früh wie möglich zu informieren und einzubinden. Dass die Bürger von einer neuen Unterkunft erst aus der Zeitung erfahren, wie jüngst rund um das Gelände am Hagendeel oder dem P&R–Parkplatz in Niendorf geschehen, kann und darf sicher nicht der Normalfall sein. Feste Ansprechpartner bei den Sicherheitsbehörden und regelmäßige Bürgerkonferenzen vor Ort, können helfen, Flüchtlinge, Anwohner, Hilfskräfte und Polizei zusammenbringen, um Ängsten entgegenzuwirken sowie existierende Probleme anzusprechen und gemeinsam zu Lösungen zu kommen.

Es braucht dezentrale Lösungen zur Unterbringung und eine Umgebung, die die soziale, psychologische und schulische Betreuung sicherstellt.

Weiter muss sich Hamburg darum kümmern, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und Fördermittel vom Bund dafür einzufordern. Der soziale Wohnungsbau muss vorangetrieben werden, um Druck aus dem angespannten Wohnungsmarkt in Hamburg zu nehmen.

Um in Hamburg Fuß zu fassen, muss an erster Stelle das Erlernen der deutschen Sprache stehen. Neben den Schulen braucht es kreative und neue Lösungsansätze, wie möglichst schnell, möglichst viel qualitativ hochwertiger Deutschunterricht stattfinden kann.

Die Herausforderung ist groß und sehr vielschichtig, aber zu bewältigen. Hamburg und seine Stadtteile konnten sich schon immer auf ihre Bürgerinnen und Bürger und ihr Engagement verlassen. Zweifellos wird die Zuwanderung Hamburg verändern. Es liegt an uns allen, die neuen Mitmenschen willkommen zu heißen und im Großen, wie im Kleinen mit anzupacken. Zuwanderung bietet großartige Chancen, wenn sie richtig organisiert und koordiniert wird. Und dafür ist Deutschland ja weltweit bekannt.