Warum die Europawahl so bedeutend ist

„Nutze deine Stimme. Sonst entscheiden andere für dich!“

Am 9. Juni 2024 finden nicht nur in Hamburg die Wahlen zu den Bezirksversammlungen statt, sondern 370 Millionen Europäer:innen in 27 Ländern der Europäischen Union sind berechtigt, insgesamt 705 Mitglieder des Europäischen Parlaments neu zu wählen – Deutschland ist mit 96 Abgeordneten vertreten. Durch unsere Stimmabgabe bestimmen wir die politischen Weichen der EU für die nächsten fünf Jahre. Die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse beeinflussen auch die Zusammensetzung der neuen Europäischen Kommission. Und als Mitgesetzgeber entscheidet das Parlament in vielen Bereichen gemeinsam mit dem Ministerrat über neue Gesetze, stimmt über Handelsabkommen ab, genehmigt den Haushalt der Union und kontrolliert die anderen EU-Institutionen.

Diese Europawahlen weisen einige Besonderheiten auf: So sind hierzulande erstmals auch 16- und 17-Jährige wahlberechtigt, weshalb die Parteien versuchen sollten, mit ihnen verstärkt ins Gespräch zu kommen. Zudem hat sich, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 5. März 2024 ausführte, seit der letzten Wahl zum Europäischen Parlament unser Leben gewandelt. Die Probleme der Corona-Pandemie waren noch nicht völlig überwunden, als der Angriff Russlands auf die Ukraine erfolgte mit erheblichen negativen Konsequenzen für viele Menschen. Positiv ist aber zu bemerken, dass die Europäer:innen in der Folge näher zusammengerückt sind.

Insofern ist das Interesse an der Europawahl im Juni gegenüber der Wahl 2019 gestiegen, wie die letzte Eurobarometer-Umfrage des Europäischen Parlaments vor der Europawahl zeigt. Die Bürger:innen messen der Verteidigung und Sicherheit der EU große Bedeutung ein. Vor allem in Deutschland herrscht Besorgnis über die aktuelle geopolitische Lage und eine ausgeprägte Sorge um den Frieden. Und fast drei Viertel der Bürger:innen geben an, dass das Handeln der EU Auswirkungen auf ihr tägliches Leben hat.

Beispiele, die diese Einschätzung untermauern, sind reichlich vorhanden. So hat uns etwa der Europäische Binnenmarkt, der vor 30 Jahren geschaffen wurde, viele Vorteile bereitet. Letzterer ist der wichtigste Motor der EU-Wirtschaft. Er gewährleistet Freizügigkeit für die meisten Waren, Dienstleistungen, Kapitalvermögen und Menschen im größten Teil des europäischen Kontinents. Sich in Europa zu bewegen ist einfacher geworden, denn alle EU-Bürger:innen haben das Recht, in jedem EU-Land zu studieren, zu arbeiten oder sich zur Ruhe zu setzen, was zusätzlich durch die gemeinsame Währung erleichtert wird. Über 340 Millionen EU-Bürger:innen nutzen das Zahlungsmittel. Und Dank der Abschaffung der Roaming-Gebühren lässt sich ohne zusätzliche Kosten in der gesamten EU telefonieren und im Internet surfen. Regelmäßige Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum abgeschafft, sodass sich alle ungehindert bewegen können.

Hamburg gilt mit seinem Hafen als „Tor zur Welt“ und ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Hier sitzen erfolgreiche Firmen der Luftfahrt, Logistik, des Handels und Transports. Hamburgs dienstleistungsorientierte Wirtschaft genießt die Vorteile des Europäischen Binnenmarktes.

Zusätzlich profitiert die Stadt erheblich von EU-Fördermitteln. Mithilfe derer sollen soziale und wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Regionen abgebaut, die sogenannte Kohäsion erzielt werden. Hierzu setzt die EU die Mittel der europäischen Struktur- und Investitionsfonds sowie Förderprogramme ein, die die nationale Regionalpolitik unterstützen. Ein Beispiel für ein durch den Europäischen Sozialfonds gefördertes Projekt in Hamburg heißt „Traumjob Handwerk“. Es soll dazu beitragen, die Nachwuchsgewinnung im Handwerk zu fördern. Und Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fließen beispielsweise in ein Projekt zur Effizienzverbesserung der Kälteerzeugung in der City Nord. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 erhält Hamburg 65 Millionen Euro aus dem EFRE.

Darüber hinaus ließen sich viele weitere Beispiele nennen, die unterstreichen, wie sehr wir in der Bundesrepublik von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union profitieren. Den großen Herausforderungen, etwa den Folgen des Klimawandels, den Umweltproblemen oder den Aspekten der Migration können wir nur gemeinsam begegnen. Doch leider rollt eine rechtspopulistische Welle durch Europa, erinnert sei an Marie Le Pens Erstarken in Frankreich, an Victor Orbáns Gleichschaltung der Medien in Ungarn oder an Giorgia Meloni in Italien – Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia. Es besteht die Gefahr, dass rechte Kräfte auch aus den Europawahlen gestärkt hervorgehen könnten und die „konstruktive Mitte“ kleiner wird, so Christian Moos, Generalsekretär der überparteilichen Europa-Union Deutschland. Damit das nicht passiert, ist es wichtig, dass viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen – denn die große Mehrheit ist proeuropäisch eingestellt, wie oben beschrieben. Die Wahlen könnten „zum Lackmustest für die rechtsstaatliche Demokratie und ein freiheitliches, diskriminierungsfreies Europa werden, das seine Werte lebt, statt sie zu entkernen“.

Daher ruft die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, die Bürger:innen auf, sich an der Europawahl zu beteiligen. Unter dem Motto: „Nutze deine Stimme. Sonst entscheiden andere für dich!“ hat sie eine pro-demokratische Kampagne ins Leben gerufen. Diese baut auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft, von Unternehmen, Medien und interessierten Bürger:innen, „um die europäische Demokratie zu stärken und die Zukunft Europas zu gestalten“.

Sabine Steppat