Das Alte Ärztehaus in Niendorf

85 Jahre medizinische Versorgung im Stadtteil

Das rote Backsteinhaus am Tibarg 26, erbaut 1938 vom Architekten Arthur Timm, ist eines der wenigen Gebäude am Tibarg, das den Bombenangriff von Juli 1943 überstand. Damals hieß der Tibarg noch Hauptstraße und das Haus trug die Nummer 4a. Erst 1948 bekam es die noch heute gültige Adresse. Der Bauherr war Dr. Karl Emil Hugo Constantin Scharff, der erste in Niendorf ansässige Hausarzt. Er wurde 1875 in Zschopau geboren, studierte in Jena und arbeitete später als Schiffsarzt. Seine Praxis eröffnete er 1914 in der Maacksallee 20 (heute Ordulfstraße) in Niendorf, wurde aber noch im selben Jahr zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg einberufen. Erst 1919 konnte er wieder praktizieren. Das Haus am Tibarg bezog er 1939.

Dr. Scharff heiratete 1907 seine Frau Martha. Kurz nach ihrem Tod im August 1944 bemerkte die Reichsärztekammer bei einer Überprüfung seiner Praxis die unregelmäßige Buchführung seines Drogenbestands. Dies führte zu seiner Verhaftung und Diagnose „Morphinismus“ mit sofortiger Einweisung zum Entzug in das Staatliche Krankenhaus am Ochsenzoll. Dr. Scharff hatte seine Schmerzen, verursacht durch Kriegsverletzungen und Motorradunfälle, mit Morphium aus seinem Praxisbestand behandelt. Nach seiner Entlassung aus dem Entzug praktizierte er nur kurz nach dem Krieg. Er starb Weihnachten 1948 und vererbte das Haus seiner Mitarbeiterin Clara Möckel, mit der Auflage, die Arztpraxis zu erhalten.

Clara Möckel verkaufte das Haus in den 1950er Jahren auf Leibrente an Dr. Hans Meisel, der dort bis 1960 praktizierte. Danach übernahm Dr. Ernst-Georg von Mueller die Praxis. Später errichtete Jens-Peter Meisel, Sohn von Dr. Hans Meisel, 1980 die Moritzapotheke neben der Praxis, die bis 2012 in Betrieb war. Jetzt ist dort eine Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Da das Haus seit 1939 der medizinischen Versorgung Niendorfs dient, wird es von den Niendorfern „Ärztehaus“ genannt.

Manfred Meyer
Forum Kollau